Scherer antike Uhren
Zukunft bereichern mit Vergangenheit


Die Gehülfen der Zeit - Pendulier Scherer seit 1937

 


















Die Büchlein von Rösli Scherer, Hallwag Verlag


















1937 beschloss Otto Scherer (1905 – 1988) antike Uhren zu reparieren. Aus Lust und aus der Situation der Zeit heraus.  

Nachdem der gelernte Feinmechaniker wegen der Wirtschaftskrise von seiner ersten Stelle in Lyon nach Bern zurückgekehrt war, fand er bei seinem Schwager im Uhrengeschäft Schneider am Bärenplatz Arbeit. Bald schon kam er dort in Kontakt mit Sammlern, die ihn fragten, ob er ihre antiken Uhren reparieren wolle. Er sagte ja, machte sich selbständig und konnte bald in der Wohnung seiner noch jungen Familie an der Neubrückstrasse sein eigenes Atelier aufbauen. Dank Mundpropaganda kam er zu Aufträgen, in Bern war er der einzige in diesem Metier. 

Bald schon konnte  er seine erste antike  Neuenburger Pendule verkaufen. Die Eidgenossenschaft erwarb sie als Geschenk für General Henri Guisan als Dank für seine geleisteten Dienste. Die Pendulen für den Verkauf erwarb Otto Scherer bei Händlern und aus Erbschaften. Er hatte auch bald Kontakte in Paris.

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung stieg das Interesse am Sammeln und Einrichten mit historischen Objekten. Otto Scherer konnte, nach zweimaligen Wechseln in Etagengeschäfte, 1954 ein Parterregeschäft an der Kramgasse 26 mieten. Da war er umgeben von Antiquaren, Möbel-, Bilder-, Ofen- und Teppichhändlern, aber auch von vielen Trödlern. Die untere Altstadt Berns war damals die Schweizer Hochburg für Antiquitäten. Josef Otto Scherer, wie er getauft wurde, war mit allen gut vernetzt. Man tauschte Kenntnisse aus und diskutierte über Echtheit, Lacke und Entstehungszeiten, über fahrende Händler und Fundorte interessanter Objekte. 

Schon vor seinem Umzug an die Kramgasse organisierte Otto Scherer zusammen mit diesen Händlern die Antiquitätenausstellung „Das antike Interieur“ im Hotel Bellevue Palace in Bern. Er selber stellte seine Pendulen, Gewichtsuhren, Bordchronometer und Tischuhren vor allem aus dem 17. und 18. Jahrhundert aus. Später fand „Das antike Interieur“ im Kursaal Bern und danach in der Expo statt, präsidiert von Sohn Heinrich Scherer. 

Otto Scherer war begeistert vom Zusammenspiel vieler Kunsthandwerker, die zu einer Uhr beitrugen. Allein am Gehäuse waren Ebenisten, Bronziers, Emailleure, Gehäusemaler, Vergolder und Ziseleure beteiligt. Und ebenso begeisterte ihn, dass in diesen Gehäusen ein präzis arbeitendes Uhrwerk steckt, das von Uhrmachern geschaffen wurde, als es noch keinen elektrischen Strom gab. Otto Scherers Fähigkeit, verharzte oder von andern Uhrmachern verdorbene schöne Uhrwerke wieder zum Laufen und Klingen zu bringen machte ihn stolz. 

Die profunden Kenntnisse der Stile und Herkunft der Uhren sprachen sowohl Sammler wie Liebhaber an. Er wurde zu einem geschätzten Experten.  

Tochter Marie-Louise lernte Uhrmacherin, Sohn Heinrich Feinmechaniker und seine zierliche, elegante Frau Rösli Scherer betreute das Geschäft. Auch ihr hatten es die attraktiven Uhren angetan. Gemeinsam mit ihrem Mann schrieb sie 1957 das Büchlein „Antike Pendulen“ für den Hallwag-Verlag, dessen „Orbis Pictus“-Reihe über die schönen Dinge des Lebens en vogue war. Mit wunderbaren Worten wusste sie die Uhren zu beschreiben. Das Büchlein wurde in vier Sprachen übersetzt und mehrmals neu aufgelegt. 

Marie-Louise arbeitete ab 1957 sieben Jahre im Geschäft, Heinrich trat  1958 ein. 

1961 arbeitete Heinrich eineinhalb Jahre als Feinmechaniker in Paris. Für ihr Pendulier-Geschäft entstanden neue Kontakte und bald schon gingen Vater und Sohn selber auf die Pariser Flohmärkte, stöberten nach interessanten  Uhren und revidierten sie in ihrem Atelier. Sie hatten in der Zwischenzeit auch Restaurateure kennen gelernt, die Uhrengehäuse fachgerecht zu restaurieren wussten. Fehlende Zeiger sägten sie selber, aber für deren Gravur brauchte es den Spezialisten. Die Begeisterung für altes Handwerk war in den Sechziger- und Siebzigerjahren ansteckend. Manchmal warteten Sammler schon vor dem Geschäft, wenn Vater und Sohn von Paris zurückkamen und kauften ihnen die Trouvaillen gleich ab. 

In den 1960er-Jahren mussten ob der vielen Arbeit zusätzlich Uhrmacher eingestellt werden. Zuerst kamen französische Stagiaires. Michel Journe aus Marseille blieb ein paar Jahre und wurde einer der bekanntesten Penduliers in Paris. Laurent Barotte aus dem französischen Jura wurde Pendulier in Pruntrutt und Lehrer an der dortigen Uhrmacherschule. Der Engländer John Joseph wurde Pendulier in Basel. Mehrere Schweizer Uhrmacher und ehemalige Mitarbeiter unterrichten ebenfalls an Uhren-Fachschulen. 

Heute sind die Auftreiber, man nannte sie auch Chineure, verschwunden und viele grosse Uhrensammler verstorben. Das Interesse an Antiquitäten ist stark abgeklungen, die Liebe zu Kunsthandwerken früherer Zeiten weitgehend verebbt. Otto Scherer starb 1988, ein Aortabruch riss ihn mitten aus der Arbeit. Rösli Scherer starb 1999. 

Heinrich Scherer führt das Geschäft mit ebenso grosser Kenntnis der Stile und Techniken wie sein Vater mit zwei Uhrmachern weiter. Sein Fachwissen stellt er auch für Museen und Ausstellungen zur Verfügung: 1992 organisierte er eine Ausstellung „Vo Zyt zu Zyt – Berner Uhren im Lauf der Zeit“ im Schloss Jegenstorf, anlässlich der er mit seiner Frau Ursula Bischof Scherer auch erhebliche Recherchen über die Geschichte der Berner Uhrmacher anstellte. 

Zudem ist er seit mehreren Jahren verantwortlich für die Uhren im MUMM (Museum für Uhren und Mechanische Musikinstrumente) in Oberhofen am Thunersee, wo auch viele Objekte aus der Sammlung Scherer zu sehen sind. Heinrichs Frau erforschte nebst der Geschichte der Berner Uhrmacher die Geschichte der Sumiswalder Uhren und veröffentlichte mehrere Publikationen. In der Kramgasse suchte man den Zusammenhalt, indem man sich für den Leist engagierte und Aktionen wesentlich prägte wie „Das einmalige Objekt“, das auf das grosse kulturelle und technische Wissen vieler Geschäftsinhaber in der unteren Altstadt hinwies. 

Das Uhrengeschäft J. Otto Scherer Sohn AG hat als eines der wenigen den Zerfall des Antiquitätenhandels überlebt dank des Restaurationsateliers, denn Uhren brauchen vielleicht nach zehn oder vierzig Jahren eine Revision. 

„Es ist die Liebe zu den Uhren, die Liebe zum Edlen, Schönen und doch niemals Nutzlosen, die die beiden beseelt und auch im Alter noch aktiv hält“ schrieb der ehemalige Bund-Journalist Bernhard Giger über Otto und Rösli Scherer. Das gleiche gilt für Heinrich Scherer und sein Team.